© Pierce van Heerden
Text: Ilona Schneider
Mal ganz ehrlich: Gibt es im Leben auf Erden eigentlich noch echte Geheimnisse? Es scheint alles erforscht, alles durchleuchtet, jedes Sandkorn der Wüsten gewendet. Wer wirkliche Geheimnisse sucht, muss sich weit von der Erde entfernen. Oder die eigene Biografie betrachten. Nach derzeitigem Forschungsstand endet diese nämlich zwangsläufig im vielleicht letzten Geheimnis des Lebens: dem Tod. „Was ist der Tod?“, fragt Konstanze in Mozarts Singspiel „Die Entführung aus dem Serail“ und findet eine verblüffend milde Antwort: „Ein Übergang zur Ruhe.“ Zugegeben: Nicht Mozart, sondern der Librettist Johann Gottlieb Stephanie d. J. zeichnet für diese Worte verantwortlich. Aber auch Mozart selbst kann mit seiner Sicht auf das Lebensende überraschen: „Da der Tod […] der wahre Endzweck unseres Lebens ist“, schreibt er 1787 an den erkrankten Vater, „so habe ich mich seit ein paar Jahren mit diesem wahren, besten Freunde des Menschen so bekannt gemacht, daß sein Bild nicht allein nichts Schreckendes mehr für mich hat, sondern recht viel Beruhigendes und Tröstendes!“
Der Tod gehört zum Leben, soviel steht fest. Was danach kommt? Keiner weiß es! Vielleicht nichts, vielleicht alles. Kein Wunder also, dass der Tod ein Wechselbad der Gefühle mit sich bringt. Mozart hat es in Töne gefasst, in ein Musikwerk, das zu den bedeutendsten, emotional aufwühlendsten und geheimnisvollsten der abendländischen Musikgeschichte zählt – ja, man darf behaupten: Es ist eines der schönsten, weil es durch und durch vom Menschen handelt. Deshalb geht es so nahe. Tiefste Niedergeschlagenheit, düsterste Gedankenwelten, Zorn, Auflehnung, Trauer, Melancholie, Zärtlichkeit, Trost, nervöse Erwartung, Jubel, Innigkeit, Hoffnung – alles spricht aus den Tönen. Und immer wieder dieses gewisse Mozartische Lächeln unter Tränen.
Ortswechsel: „Für die meisten Afrikaner ist der Tod ein Übergang“, berichtet der Journalist und Afrikaspezialist Ulli Neuhoff. Für das ARD-Magazin „Weltspiegel“ hat er vor einigen Jahren eine Beerdigung der südafrikanischen Xhosa begleitet. „Die Toten leben in den Familien weiter“, durfte er erfahren. Der Tod wird hier zum mehrtägigen Fest für Familie, Nachbarschaft und jeden, der daran teilhaben möchte. Es wird getrauert, gelacht, geweint, gesungen, getanzt. Alles auf einmal, denn die Gefühle lassen sich nicht aufspalten. Es scheint, als markiere der Tod keinen Verlust, lediglich einen Wandel. Der Blick geht nach vorne, nicht zurück. Der Tod ist kein Ende. Mozart hat es genauso gesehen. Und wie seine Musik bergen auch die Begräbnisgesänge aus Südafrika das ganze Spektrum menschlicher Emotionen.
„Lasst uns gemeinsam trauern, leben und feiern!“, nennt es das Bochabela String Orchestra. Aus südafrikanischen Townships stammen die jungen Musikerinnen und Musiker dieses besonderen Klangkörpers. Im Mangaung String Programme haben sie als Kinder – teils aus ärmsten Verhältnissen stammend – die Chance erhalten, mit Musik in Berührung zu kommen. Musik hat nicht wenigen der Orchestermitglieder eine Lebensperspektive gegeben. Eine atemberaubend positive Ausstrahlung geht von jeder Aufführung des Bochabela String Orchestra aus. Auch im Rheingau durfte man sich davon bereits überzeugen. Lebensfreude pur!
Diese überschäumende Lebensfreude überträgt das Ausnahmeorchester nun auf ein besonderes Projekt: Mozarts Requiem trifft auf südafrikanische Kirchenhymnen und Begräbnisgesänge. Was das mit Mozart macht? Und mit den Gedanken an das unausweichliche Lebensende, dieses letzte Geheimnis der Menschheit? Antworten lassen sich finden am 11. August im Kloster Eberbach, wenn das Bochabela String Orchestra gemeinsam mit den Landesjugendchor VOICES und weiteren Mitwirkenden ein musikalisches Fest zwischen Himmel und Erde aufspannt.
K 119 | 11.8. | Fr. 20 Uhr
Kloster Eberbach, Basilika
Shira Patchornik Sopran
Fleuranne Brockway Alt
Katleho Mokhoabane Tenor
Kabelo Lebyana Bariton
Landesjugendchor VOICES
Bochabela String Orchestra & Friends
Klaus Christa Idee & Künstlerischer Leiter des Bochabela String Orchestras
Paul Burtscher Choreinstudierung
Gerald Wirth Gesamtleitung
Wolfgang Amadeus Mozart Requiem KV 626
im Wechsel mit südafrikanischen Kirchenhymnen