Klänge, so klar und schwebend, als kämen sie direkt vom Himmel, dann wieder so gewichtig und eindringlich, als spräche das Weltgericht ein Machtwort: Unter der Leitung von Nigel Short, einem ehemaligen Mitglied der King’s Singers, präsentieren die exzellenten Sänger des Kammerchores Tenebrae aus London eine Gesangskultur in Perfektion, lupenreiner Intonation und herausragender Vokaltechnik. 2021 widmete das Rheingau Musik Festival dem mehrfach preisgekrönten Chor einen Fokus, in dem die Vokalisten ihr breitgefächertes Repertoire präsentierten. Nach der überwältigenden Resonanz des Publikums kehrte der Chor im letzten Sommer mit gleich zwei Konzerten in den Rheingau zurück. Diesen Sommer zeichnen wir das Spitzenensemble mit dem Rheingau Musik Preis 2023 aus. Darüber hinaus widmen wir ihm am 22. Juli eine lange Nacht der Chormusik, „eine künstlerische und sängerische Mammutleistung, die einmal mehr unterstreicht, warum der Chor zur absoluten Weltspitze gehört“, wie es aus der Urteilsbegründung der Jury heißt.
„Phenomenal“ (The Times) ist nur eines der vielen begeisterten Worte, die die Presse für die exquisite Chorkunst des in London ansässigen Tenebrae Choir findet. Dass Gründer und Leiter Nigel Short selbst viele Jahre Mitglied bei den King’s Singers war, hört man der Klangkultur des Chores durchaus an: Mit kristallklarer Intonation, Leidenschaft und Präsenz wissen die Sänger ihr Publikum in ihren Bann zu ziehen und die legendäre Qualität britischer Chöre hörbar zu machen. 2001 ist es, als sich Nigel Short seinen langgehegten Traum erfüllt: Er gründet einen Chor, mit dem er seine Konzeption von Vokalmusik realisieren kann. Dazu versammelt er hervorragende Sänger in seinem Ensemble, die sich etwa aus Mitgliedern der Chöre von Westminster Abbey, St Paul’s Cathedral und den Londoner Opernhäusern rekrutieren.
Short strebt danach, bei Tenebrae den raumfüllenden, leidenschaftlichen Klang der großen Kirchenchöre mit der Präzision eines kleinbesetzten Vokalensembles zu kombinieren und den Raum und das Licht in die Aufführung einzubinden: Mit einem Klang von „himmlischer Schönheit“ (Frankfurter Rundschau) avanciert der Chor binnen kürzester Zeit zum musikalischen Exportschlager Großbritanniens und einem der führenden Vokalensembles weltweit.
Das Ensemble tritt mit den renommiertesten Orchestern weltweit auf und ist mehrfacher Preisträger des BBC Magazine Award. 2013 erhält der Chor für die Aufnahme von Gabriel Faurés Requiem zusammen mit dem London Symphony Orchestra einen Gramophone Award. 2018 folgt eine Grammy-Nominierung für die CD „Music of the Spheres“.
Nigel Shorts Beharrlichkeit und seiner Vision ist zu verdanken, dass Tenebrae nicht nur bekanntes Repertoire interpretiert, sondern auch mit vielen bedeutenden zeitgenössischen Komponisten zusammenarbeitet und immer wieder spektakulär Neues präsentiert: »Wir fokussieren uns nicht auf eine Zeitspanne, stattdessen singen wir neben der alten Musik auch romantische Stücke, einige aus der Barockzeit und zeitgenössische Werke. Ich liebe all diese verschiedenen Epochen und suche mir die Stücke ganz nach Gefühl aus.« Die Interpretationen des Ensembles leben vom Gespür für die Sinnlichkeit von Musik. Bekannte und unbekannte Werke werden zu einem faszinierenden Klangerlebnis, Konzerte zu einem lebendigen Hörraum, in dem besondere Klangwirkungen erzeugt werden. Mal treten Einzelstimmen, mal Stimmgruppen in Dialog – auch mit dem Raum: Wenn die Sänger im Mittelgang stehen, jede Nuance, jede Bewegung, jede Stimme, jeder Ton wahrnehmbar ist, hält das Publikum den Atem an.
Der Farbenreichtum, den Short seinem Ensemble entlockt, kennt keine Grenzen. Wenn es Perfektion im Gesang gibt, dann hier. Denn der Chor steht – zu Recht – im Ruf atemberaubender Präzision, die der Chorgründer und -leiter meisterhaft auszusteuern und auszutarieren weiß: dunkel hier, strahlend da, mal transparent, mal kraftvoll, dann wieder sanft, mit Schärfe, innig oder leuchtend, immer exakt und im idealen Zusammenklang. Daraus entsteht eindringlicher Gesang und pure Emotion. Die Arbeit an dieser Perfektion ist Nigel Shorts ganzes Leben. Auf das Gesangspodium kehrt er selbst hingegen nicht wieder zurück: »Die Mitglieder würden mir wahrscheinlich gar nicht mehr erlauben, mit ihnen zu singen. Manchmal, kurz nach der Gründung des Tenebrae Choir, sang ich einfache Parts als Bariton, mittlerweile werde ich vorne als Dirigent benötigt. Mein Gesang beschränkt sich deswegen auf Momente im Badezimmer.« Es ist ein großes Glück, die Sänger des Tenebrae Choir bei ihrer Kunst zu erleben. Allein aus der Kraft der Musik schaffen sie in ihren Aufführungen Klangräume, die die Besucher in andere Sphären heben.
Der Rheingau Musik Preis wird seit 1994 an renommierte Künstler, Komponisten und Musikwissenschaftler oder musikalische Institutionen in Anerkennung deren musikalischen Gesamtschaffens verliehen. Die durch das Rheingau Musik Festival initiierte Auszeichnung ist mit 10.000,– € dotiert. Das Preisgeld wird vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst zur Verfügung gestellt.
K69 | 22.7 | 19. Uhr
Kloster Eberbach, Basilika
Lange Nacht der Chormusik
Lamentations: Werke von John Sheppard, Thomas Tallis u. a.
Tomás Luis de Victoria Requiem „Officium defunctorum“
When Sleep Comes: Werke von Tomás Luis de Victoria, Morten Lauridsen, Bob Chilcott und Thomas Tallis sowie Eigenkompositionen und Arrangements von Christian Forshaw
Joby Talbot „Path of Miracles“