© Fabio Lovino / Blue Note Germany
Stets adrett gekleidet betritt Götz Alsmann die Bühne. Ihn aber auf sein Äußeres zu reduzieren, wäre vermessen – und doch ist sein Auftreten mit Haartolle, Heinz-Erhardt-Brille, Anzug und Schlips zu seinem unverkennbaren Markenzeichen geworden, das ein gewisses Versprechen in sich trägt: musikalische Qualität und großen Unterhaltungswert. Charmant und humorvoll führt der Multiinstrumentalist, Moderator und Doktor der Musikwissenschaft das Publikum durch seine Konzerte, kommt ins Plaudern, ist aber immer darauf bedacht, die Musik nicht dem Entertainment unterzuordnen. Wir durften vorab ein Interview mit ihm führen.
Auch wenn Ihre Eltern beruflich nichts mit Musik zu tun hatten, wurde bei den Alsmanns zuhause viel und begeistert Musik – vor allem auch die Unterhaltungsmusik der 40er und 50er Jahre – gehört, richtig? Wann wuchs in Ihnen der Wunsch, die Musik auch zu Ihrem Beruf zu machen?
Wenn ich ehrlich sein soll, träumte ich schon als Kind davon. Ich hatte keine Angst, mich vor Publikum zu präsentieren und empfand es schon als Dreikäsehoch als unsinnige Verschwendung, all das Geübte nur im stillen Kämmerlein auszuprobieren.
Ihren ersten Klavierunterricht erhielten Sie mit acht Jahren bei einem ehemaligen Stummfilmbegleiter aus der Nachbarschaft. Lernten Sie bei ihm direkt Jazz-Klavier oder erhielten Sie erst eine klassische Ausbildung?
Vom Jazz hatte er weder eine Ahnung noch eine Vorstellung. Nein – ihm ging es um das Noch-schöner-machen von ohnehin Schönem. Improvisieren, Verzieren, keine Angst vor Breitenwirkung und keine Scheu vor übergroßen Gefühlen – das war seine Welt und er brachte mir all das anhand von klassischer Musik nahe.
1976 gründeten Sie Ihre Band Götz Alsmann & The Sentimental Pounders, mit der Sie Ihren musikalischen Durchbruch hatten und aus der 1989 die Götz Alsmann Band hervorging. Seit über drei Jahrzehnten stehen Sie nun gemeinsam auf der Bühne. Was ist das Erfolgsrezept für ein solch langes gemeinsames Bühnenleben?
Auch diese Band war nicht vor personellen Änderungen und Schicksalsschlägen gefeit. Ich kenne kein wirkliches Erfolgsrezept, aber sicherlich geht es nicht ohne Humor, Respekt, gegenseitiges Verständnis, Vertrauen und die Fähigkeit, sich auch über etwas anderes als über Musik unterhalten zu können.
Eine bestimmte Musikrichtung – deren Namen Sie quasi geprägt haben – liegt Ihnen ganz besonders am Herzen: der deutsche Jazz-Schlager. Was genau lässt sich darunter verstehen und wieso fühlen Sie sich dieser Musik so verbunden?
Irgendwann wurde mir klar, dass das deutsche Schlagerrepertoire der letzten 120 Jahre gespickt ist mit großartigen Kompositionen, immer auf der Höhe der jeweiligen Zeit und oft von Theater- oder Kabarett-erfahrenen Könnern betextet. Warum sollte man mit solchen Preziosen nicht ähnlich verfahren wie mit dem American Songbook? Swing, Latin, Boogie etc. – das geht auch mit den Kompositionen von Michel Jary, Rudolf Nelson oder Heino Gaze, zumal diese Könner das ja seinerzeit selbst auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten ausprobiert haben. Das war die Grundidee des Jazz-Schlagers und der bin ich seitdem verpflichtet.
Wie entscheiden Sie, mit welchen Songs, welcher Musik Sie sich als nächstes auseinandersetzen möchten?
Bei der Auswahl geht frage ich mich immer: Passt das Lied zu mir? Kann ich was daraus machen? Fällt mir etwas dazu ein, das zum Sound meiner Band passt? Lässt sich der Text auf un-peinliche Art darstellen? Und das wichtigste Kriterium: die Melodie!
Sie haben einen Doktor in Musikwissenschaft. 2011 wurden Sie als Honorarprofessor an die Musikhochschule der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Ihre Alma Mater, berufen und lehren seitdem dort die Geschichte der Popularmusik. Was reizt Sie an der Lehre und was möchten Sie Ihren Studierenden mit auf den Weg geben?
Meines Erachtens steckt die Geschichtsschreibung der Unterhaltungsmusik, des Jazz etc. voller Fehldeutungen und immer wiedergekäuten irreführenden Klischees. Da möchte ich gerne gegensteuern und meine Lesart der Dinge in die Lehre und die Diskussion einbringen.
Die Musik ist nicht Ihr einziges Standbein. Schon in jungen Jahren haben Sie Ihre ersten Sendungen im Hörfunk und TV moderiert. Legendär waren dann die 20 Jahre „Zimmer frei!“ im WDR, und jetzt sind Sie vor allem noch im Radio und neuerdings auch als Podcaster tätig. Was genau macht das Moderieren für Sie attraktiv?
Eigentlich ist diese Tätigkeit eine Verlängerung meiner Bühnenarbeit. Es ist ein Angebot an mein Publikum und ich freue mich, wenn es angenommen wird.
Im Jahr 2001 waren Sie das erste Mal beim Rheingau Musik Festival zu Gast und sind seitdem regelmäßig auf den Rheingauer Bühnen anzutreffen. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Konzerte beim Rheingau Musik Festival?
In Rüsselsheim ging es damals los, und dann kam Wiesbaden. Das Rheingau Musik Festival war immer etwas Besonderes in unserem Tournee-Kalender, nicht zuletzt dank des jedes Mal so enthusiastischen Publikums.
Sie treten in den verschiedensten Besetzungen auf. Mal mit Ihrer Band, im Duo oder solo. Wie unterscheiden sich diese Arten des Musizierens für Sie?
Die Arbeit mit meiner Band steht ganz klar und eindeutig im Vordergrund. Und meine Solo- und Duo-Abende sind eher vergnügliche historische Vorträge mit eigenartigen Instrumenten, in denen ich das Publikum noch näher an „meine Welt“ heranzuführen versuche.
Bei Ihrem ersten Konzert im diesjährigen „Sommer voller Musik“ treten Sie gemeinsam mit Chris Hopkins auf, Sie am Banjo, er am Klavier. Musizieren Sie beide schon länger zusammen? Und was erwartet das Publikum an diesem Abend?
Die Zusammenarbeit mit dem großartigen Pianisten Chris Hopkins ist für mich eine Möglichkeit, ein wenig zur Ehrenrettung des Jazz-Banjos beizutragen. Wir hatten vorher schon lange Kontakt und freuten uns seit Jahren auf eine Möglichkeit, dieses Projekt in die Tat umzusetzen. Aufgrund unser beider übervoller Terminkalender und der Corona-Pause hat die Verwirklichung dieses Duo-Projekts dann länger auf Eis gelegen. Aber jetzt ist es endlich soweit!
Es wäre zu schade, Sie nicht auch gemeinsam mit Ihrer Band zu erleben. Zum Glück wird das im Kurhaus Wiesbaden möglich sein: mit einem Beatles-Programm. Wie stellen Sie die Programme für Ihre Konzerte zusammen?
Mitunter präsentieren meine Band und ich Sonderproduktionen jenseits unserer stets auf zwei oder drei Jahre angelegten Tournee-Programme. So waren wir drei Spielzeiten lang mit einer Michael-Jary-Revue im Theater Münster zu sehen, später gab es mit „Es grünt so grün“ ein „My Fair Lady“-Projekt oder beim „Herrenabend“ eine Lesung aus deutschen Nachkriegs-Herrenmagazinen samt sündiger Barmusik. Die Idee eines instrumentalen Beatles-Abends entstand aus dem Bewusstsein heraus, dass vieles im Beatles-Katalog auf recht klassische Art komponiert wurde und somit einen immensen Bearbeitungsspielraum anbietet, was ja in den letzten 60 Jahren immer wieder beeindruckend demonstriert wurde. Der Ansatz, Lennons und McCartneys Musik zwischen Mambo, Cha Cha und Bossa Nova zu verorten, erfuhr in den 60ern kurz eine Hochzeit und geriet dann gänzlich in Vergessenheit. Das ist schade … Und jetzt kommen wir!
Last but not least werden Sie in einem Soloabend mit Ihrer Ukulele auf der Bühne stehen und Ihr Publikum mit auf eine humorvolle Reise durch die Geschichte des Deutschen Schlagers nehmen. Die Kombi Schlager und Ukulele klingt erstmal gewagt. Aber warum ist genau dieses Instrument das richtige für diesen Abend?
Es ist mein persönlichstes, körpernächstes Instrument. Ein Moderatoren-Kollege kündigte mich mal mit den Worten an „Götz Alsmann – halb Mensch, halb Ukulele“. Ja, das passt! Außerdem gehört die Ukulele zu den am meisten unterschätzten Instrumenten und das kitzelt meinen Ehrgeiz auf besondere Art und Weise.
Zum Schluss: Worauf darf sich das Publikum des Rheingau Musik Festivals bei Ihren Konzerten besonders freuen? Und worauf freuen Sie sich ganz besonders?
Auf jemanden, der einfach nur glücklich ist, dass wieder Bühnen bespielt werden können einerseits – und auf eine Fortsetzung der vielen wunderbaren Rheingau Musik Festival-Erlebnisse andererseits.
K 61 | 19.7. | Mi. 19 Uhr
Schloss Johannisberg
Fürst-von-Metternich-Saal
Götz Alsmann Banjo
Chris Hopkins Piano
K 63 | 20.7. | Do. 20 Uhr
Kurhaus Wiesbaden
Friedrich-von-Thiersch-Saal
Götz Alsmann & Band
„The Beatles in Latin“
K 93 |2.8. | Mi. 20 Uhr
Schloss Johannisberg
Fürst-von-Metternich-Saal
Götz Alsmann Ukulele
„Die Reise zu den Anfängen des Deutschen Schlagers“